1618 – 1648

"Ein furchtbar wütend Schrecknis ist der Krieg" so schrieb schon Friedrich Schiller in seinem "Wilhelm Tell". Der 30-jährige Krieg, der am 23.05.1618 mit dem Prager Fenstersturz begann, brachte Not und Elend über die gesamte Bevölkerung. Durch konfessionelle Gegensätze ist dieser Krieg entstanden und entwickelte sich durch das Eingreifen Schwedens und Frankreichs zu einem auf deutschem Boden geführten Machtkampf um die europäische Stellung des Hauses Habsburg.

Der Auftakt des beginnenden Krieges für die Bevölkerung unseres Raumes war sicherlich das Gefecht des Landsturms aus den Ämtern Amöneburg und Neustadt vor Mardorf im November 1619. Der Oberamtmann von Amöneburg hatte dem Landsturm befohlen das Eindringen der niederländischen Reiter in das durch Wall und Graben befestigte Mardorf zu verhindern.

Bereits 1621 kam es durch den Grafen von Mansfeld zur Aufstellung neuer Truppenteile, denen sich auch ein Regiment des Herzogs Christian von Braunschweig in einer Stärke von 1.000 Reitern und etwa 4.000 Landsknechten anschloss. Es waren fast ausnahmslos Söldner, die ihren Unterhalt aus den jeweils besetzten Gebieten herauspressen sollen. Die Truppen des "tollen Christian", wie er wegen seines ungezügelten Vorgehens bezeichnet wurde, besetzten am 2. Dezember 1621 die Stadt Amöneburg, nachdem sie im Oktober 1621 auf dem Eichsfeld geschlagen wurden. Die Braunschweiger lagen über zwei Wochen in und um Amöneburg und machten von hier aus Raubzüge in die Umgebung. Wir erfahren aber aus anderen Orten, dass insbesondere die Kirchen ausgeraubt wurden. Das Ausmaß der Zerstörungen durch den "tollen Christian" wird besonders durch einen Brief des Mainzer Erzbischofs vom 22. Jan. 1622 deutlich, in dem er berichtet, dass "Herzog Christian ... in Unsere ämter Ameneburg, Neustadt und benachbarte Stifte feindlich eingebrochen, dieselbe gebrandschatzet, Unsere arme unschuldige unterhanen von Hause und Hofe verjaget, dieselbe beraubet, geplündert, zu boden geschlagen, teils jämmerlich erschossen, die Köpfe und Arme vom Leibe abgehauen, zu den thüren und fenstern hinausgeworfen und mit solcher feindseliger gebahrung auch tyrannisieren ihnen zugesetzet, daß es zum höchsten zu erbarmen."

Für unser Gebiet brachten dann die Jahre 1625 und 1626 weitere militärische Durchzüge. Im Frühsommer 1625 lagen Truppenteile Tillys um Amöneburg, und im Juli desselben Jahres durchzogen weitere Teile das Amt Neustadt. Ein weiteres Heer folgte im Oktober 1625 und schließlich im Januar 1626 verschiedene Kontingente der Armee Wallensteins. Ihnen folgten kurz darauf Lüneburgische Regimenter, die in den Ortschaften um Amöneburg einquartiert wurden und beim Abzug in einigen Orten die Pferde pfändeten. Die Hauptlast des Krieges trug letztlich die Bevölkerung, die durch Quartiere, Fourage, Geldmittel und eine hohe Kriegssteuer bis aufs äußerste ausgesogen wurde. Dazu stellte sich im Herbst 1635 als schlimmeres Übel die Pest ein, die besonders in Amöneburg wütete. Die Bevölkerung floh in die umliegenden Dörfer, wo man sich sicher glaubte. Auch der Oberamtmann aus dem Amöneburger Schloss wollte sich nach Anzefahr retten, wurde aber am 13. November 1635 ein Opfer der Seuche.

Anfang Juni 1636 war es zunächst die niederhessische Armee in einer Stärke von 12.000 – 14.000 Mann, die unser Gebiet in Richtung Hanau durchquerte. Sie nahm auf ihrem Rückmarsch in den Orten um Kirchhain Quartier und eroberte Anfang Juli Amöneburg. Danach erschienen wiederum kaiserliche Verbände, eroberten die Stadt zurück, drangen daraufhin weiter nach Norden und besetzten ganz Niederhessen.

In den im Jahre 1637 beginnenden Aufzeichnungen des Stausebachers Kaspar Preiß erfahren wir folgendes über die Absicht der niederhessischen Seite die besetzten mainzischen Ämter auf Dauer zu behalten und sogar Schutzmaßnahmen anzuordnen: "... er beschützet unsere Dörffer nach Aller Möglichkeit; er gab uns fünff Soltaden in Stausenbach und musten die ander 3 Dörffer (nämlich Anzefahr, Sindersfeld und Himmelsberg) ihr Vieh und ander Sachen in unser dorff thun. Also verwarten wir das dorff mit Zäun und grosen graben, wie auch mit grosen langen höltzern, das also über 20 grosen langen bäum im dorff über die gassen aus einem bauw in den andern gingen."

Im Jahre 1640 lag die Hauptarmee der Schweden bei Wildungen, von wo aus sie Plünderungszüge in unseren Raum unternahm. Auch darüber wollen wir Kaspar Preiß zu Wort kommen lassen: "Alß Sie hatten gelegen an dem orth uber 3 Wochen, da kamen Von den Schweden eine Stärcke Partey alzeit uff 4 dausent Man zu roß und zu fueß und vielen Wagen und druschen uns vor unserm Dorff, zu Himelsberg, zu Antzefahr und Niderwalt Alle unser frucht uff dem felt auß undt führeten Sie nach Ihrem läger wie auch das Häw (Heu) In unserm Dorff wie auch das Kraut in den gartten, die öbel undt die birn, Alles und alles. Sie liesen uns nicht das geringste, Sie führeten Alles In Ihr läger..."

Auch in den Jahren bis zum Kriegsende durchzogen wechselnde Truppen unser Gebiet und es kam immer wieder zu Plünderungen.

Der Westfälische Friede zu Münster und Osnabrück beendete zwar am 24.10.1648 diesen Krieg, jedoch dauerte der Kampf gegen Söldnerbanden noch fast ein Jahrzehnt. Für das deutsche Volk und die Volkswirtschaft bedeutete der Krieg eine Katastrophe (bis zu 50 % Verluste der Bevölkerung). Die Hälfte aller Häuser in den Städten stand leer und verfiel; ebenso war auf dem Lande mehr als die Hälfte des angebauten Bodens in eine oft seit Jahren nicht mehr vom Pflug berührte Wüstenei verwandelt. Dieser Krieg hatte so gut wie alle Gewerbetätigkeiten erlöschen, ehrbare und angesehene Bauern zu Bettlern, Wegelagerern und Räubern werden lassen. Für die Menschen zählte nur, dass dieser Krieg endlich vorbei war und man wieder beginnen konnte seinem Tagwerk nachzugehen.

 

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