1649 – 1755

In nahezu allen Orten unseres Raumes lassen sich die ersten Jahre nach dem 30jährigen Kriege vor allem durch den Wiederaufbau der zerstörten Höfe und Gebäude kennzeichnen. Aus Amtsrechnungen ist in etwa herauszulesen, dass zunächst die Wohn- und Wirtschaftsgebäude hergerichtet bzw. neu aufgebaut und auch die zugehörigen Wirtschaftsflächen wieder bestellt wurden. Erst danach erfolgte der Auf- und Ausbau der kirchlichen und gemeindlichen Einrichtungen wie Kirchengebäude, Schule, Hirtenhaus und dergleichen, so dass man zunächst den wirtschaftlichen Grundlagen der Orte Rechnung trug, die im großen und ganzen nach 1651/52 wieder den alten Stand erreichten. Bereits ab 1650 flossen die meisten Pacht-, Geld- und Sachabgaben aus den Ortschaften wieder regelmäßig in die Amtskellerei, wenn auch kleinere Abschläge gegenüber der Vorkriegszeit zu bemerken sind.

Am 13. April 1652 brannte das Dorf Rüdigheim bis auf 3 Häuser, eine Scheune und einen Stall nieder. Dies war der Anlass für den Amöneburger Oberamtmann am 17. April alle Bürgermeister der Amtsdörfer auf den Berg zu bestellen und "ihnen anbefohlen, binnen 14 Tagen Feuerhaken, lederne Eimer und Feuerleitern anfertigen zu lassen, um bei Bränden besser gerüstet zu sein. Gleichzeitig sollten in allen Gemeinden jährliche Brandschauen durchgeführt und vorhandene Strohdächer beseitigt werden". Soweit der Bericht des Kaspar Preiß.

Eine durchgehende Liste der Pfarrer kann man erst mit Erfolg zusammenstellen, als die Pfarrbücher beginnen. Im Jahre 1658 beginnt in Anzefahr das Trauungsbuch. Hieraus kann man folgende Pfarrer feststellen:

1658 – Johann Georg Rößl, 1659 – Thomas Lumpberger, 1663 – Adam Bannheimer, 1664 – Volmar Bitter, 1670 – Jodokus Hirsch, 1673 – Johannes Ernst Gleichmann, 1674 – Volmar Bitter, 1684 – Wilhelm Wernsinck, 1705 – Johannes Kaspar Sauer, 1732 – Hilarius Probeck, Mathäus Scherer, 1775 – Matthäus Habermann, 1792 – Johann Vetter.

Mit dem Jahre 1659 begann die Amtsverwaltung erstmals auch mit der namentlichen Erfassung der Familien in den zugehörigen Dorfschaften, die auch in den folgenden Jahren aufgeschrieben wurden. Die Listen enthalten allerdings nur die Namen der "Mannschaften" oder Familienvorstände, die "Wittweiber" und sog. "Beisitzer", die an den Nutzungsrechten der Gemeinde keine Anteile besaßen. In Anzefahr waren dies 1659 folgende:

Hans Peter, Henr. Fischer, Henr. Kraus, Joh. Martel (Martill), Weigand Schmitt, Konr. Erlemann, Hans Fuchs, Joh. Fuchs, Weigand Greif, Joh. Kraus, Henr. Freidhof, Joh. Möller, Joh. Martel sen. (Martill), Joh. Kölber, Konr. Kraus, Konr. Dohl, Georg Gnau, Hermann Kernst, Joh. Lauer, Seibert Feußner, Andreas Roßnitz, Henrich Weiygel, Henr. Ohlbaum, Georg Hübeler, Caspar Metz, Wittweiber: Ziriaci Fritsch Wwe.

Im Jahre 1666 wurde in Stausebach ein neues Pfarrhaus eingerichtet, bei dessen Um- und teilweisem Neubau die vier Dörfer der Pfarrei zur Mithilfe herangezogen wurden. In der Chronik von Kaspar Preiß lesen wir: "... ist alle Zeit das Pfahrhauß zu Antzefahr gewesen biß uff diese Zeit ... aber die geistliche Hern zu der zeit (in Amöneburg) die wollten ein PfahrHauß nach Stausebach haben, weill die schöne Kirche da ist ... die Antzefahrer und Sünnersfäller haben das bauHoltz nach Stausenbach geführet, dan es must viel anderst gemacht werden, dan es zuvor gebauet war. Die Stausenbächer und Himelsberger musten den lämen (Lehm) darbey führen uff die 70 Wagen; und musten die 4 Dörffer den Arbeitsleuthen – als Zimmerleute, Meuern und Klebern – die Kost geben; die von Antzefahr und Sünnersfälle das essen nach Stausenbach tragen."

Am 6. Febr. 1687 wandte sich die Gemeinde Anzefahr nach Mainz und bat, den Sitz der Pfarrei wieder nach Anzefahr zu verlegen, weil sie "ein neues Pfarhaus gnediger Verordnung gemes (gemäß) mit schweren kosten und spesen ... auffgerichtet". Aus einem Schreiben des Amöneburger Oberamtmanns Konrad Adolf von Radenhausen vom 16. Mai 1692 geht dann hervor, dass "der wiederhohlte gnädigste Befelch ergangen, daß der Pfarrer sein bißhero zu Stausebach gehabtes Domicilium (Wohnung) nacher Antzefahr nehmen undt daselbstiges ... neu erbautes Pfarrhauß beziehen solle". Dies war in Mainz bereits 1689 entschieden worden.

Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts kam es aber auch wieder zu einzelnen Truppendurchzügen und Einquartierungen in unserem Gebiet. Sie begannen bereits 1672 und waren gegen Frankreich gerichtet, das von 1672 – 1678 einen weiteren Eroberungskrieg gegen die Niederlande führte. Ein Teil der nun folgenden Truppenbewegungen gegen Frankreich berührte unseren Raum. Im Oktober 1672 quartierten sich vor allem brandenburgische Verbände in verschiedenen Amtsdörfern ein, die für deren Unterhalt zu sorgen hatten. Betroffen waren vor allem die Orte Rüdigheim, Erfurtshausen, Bauerbach, Anzefahr und Sindersfeld aber auch andere Dörfer. In Anzefahr und Erfurtshausen verfütterten die Truppen das gesamte eingescheuerte Zehntgetreide; in Sindersfeld blieben nur geringe Mengen des Sommerzehnten an Gerste und Hafer übrig.

Seit 1655 hatte Mainz in den Gebietsteilen des Erzstifts aber auch eine Reihe innerkirchlicher Reformen und Verbesserungen durchgeführt, mit denen vornehmlich die Jesuiten betraut waren. Sie führten in der Folgezeit in fast regelmäßigen Abständen Visitationsreisen durch, deren größte im Jahre 1684 auch alle Pfarr- und Filialorte unseres Raumes berührte. Am 31. Mai kamen sie in die Pfarrei Stausebach mit den Filialen Anzefahr, Himmelsberg und Sindersfeld. Das danach entstandene Visitations-Protokoll der Missionare hebt folgende Punkte hervor: Pfarrer war Wilhelm Wernsink der in Anzefahr sonn- und festtäglichen Gottesdienst hielt. Streitpunkt zwischen Stausebach und Anzefahr war der Standort des Pfarrhauses, den die Missionare im Beisein des Amöneburger Dechanten und Kommissar zugunsten von Stausebach entschieden. Anzefahr besass eine dem hl. Michael geweihte Kirche, in der das Ewige Licht immer brannte; zum Dorfe gehörten 36 Familien. Die Paramente oder geistlichen Gewänder waren in schlechtem Zustand, der Meßkelch fehlte. Zur Kirche nach Anzefahr gingen auch die Sindersfelder, da diese kein Gotteshaus besaßen. Anlässlich der Mission empfingen in Anzefahr 208 Gläubige die hl. Kommunion, 2 Kranke wurden zu Hause versehen und weiterhin 2 Predigten und eine Katechese gehalten.

Über die schulische Unterweisung der ländlichen Bevölkerung finden sich bis auf wenige Ausnahmen erst seit Anfang des 17. Jhs. vereinzelte Hinweise. Für ihre Dienste wurden sie jährlich aus dem Kirchenkasten entlohnt. Dazu kommen nach späteren Quellen auch Einkünfte von der jeweiligen Gemeinde, solche aus bestimmten Grundstücken und nicht zuletzt von den Eltern, die ihre Kinder zur Schule schickten. In der Regel war der Schulmeister auch von verschiedenen gemeindlichen Diensten und Abgaben befreit.

Sieht man sich das Aufgabengebiet derzeitiger "Lehrer" an, dann waren diese zunächst vornehmlich als Bedienstete der Kirche tätig, erst in zweiter Linie waren sie "Schulmeister". Innerhalb der politischen Gemeinde bekleidete der Schulmeister insbesondere das Amt des Gemeindeschreibers, führte fast immer auch das jährliche Rechnungswesen und war beim Abfassen von Schriftstücken behilflich, die er meist selbst zu Papier brachte.

Nur wenige der dörflichen Schulmeister waren hinreichend qualifiziert und hatten die unteren bis mittleren Klassen eines Seminars hinter sich gebracht. So finden sich unter den 14 dörflichen Schulmeistern der Ämter Amöneburg und Neustadt um 1663/64 lediglich zwei, die die 3. Klasse des fünfstufigen Seminars besucht hatten und als ehemalige Syntaxisten bezeichnet werden. Der größere Teil der dörflichen Schulmeister übte dagegen bodenständige Berufe aus, war aber darüber hinaus "im teutschen Singen und Schreiben" etwas oder auch "ziemblich versiret", in "Cantu choralis" (im Chorgesang) aber größtenteils "unerfahren".

Die seit dem Jahre 1631 vorliegenden Kastenrechnungen des Dorfes melden bis 1654 lediglich einen Opfermann, der jährliche Einkünfte aus dem Opfergarten und der Opferwiese erhielt; 1636 war dies Hans Hedderich, der nur dieses Jahr genannt wird. Erst 1655 wird die Anstellung eines Schulmeisters mitgeteilt, denn die Kastenrechnung vermerkt eine Ausgabe von 10 ½ albs. "vor bier, als der Schulmeister ist angenohmen worden"; sein Name wird allerdings nicht mitgeteilt. Aus der nachfolgenden Schulbeschreibung von 1663/64 geht hervor, dass dies Heinrich Döll war, der vor 11 Jahren angestellt wurde, was demnach nicht ganz stimmen kann.

"Schuel zue Antzefahr: Henrich Döll aus Embsd (gemeint ist Imst in Tirol westlich von Innsbruck) gebürdig, ein man von dreyßig acht jahren, seines handtwercks ein Schneider, im Teutschen Singen undt Schreiben etwas versiret, versiehet den daselbstigen Schueldienst nuhn 11 Jahr lang; fecit professionem fidei Catholicae (hat das katholische Treuegelöbnis abgelegt); hat zur besoldtung alß folget:

Ahn Geldt: Einen halben Reichßthaler jährlich von der Gemeindte Antzefahr wegen deß Leuthen(s) und Schreibenß. Ein Koppstück undt eine halbe mesten Korn (18,75 Pfd.) von Jeglichem Schuelkindt daß jahr durch.

De Baptismo (Von der Taufe). Fünff albs. von einer Kindttauf, wan Er nit zur mahlzeit kombt.

Von Hochzeiten: Fünff albs. ahn geldt; Ein maaß bier; Ein Suppen mit einem stück fleisch.

Von Begräbnüßen: Fünf albs. undt zwey leib Brodt von einem alten undt fünff albs. ein leib Brodt von einem jungen Mentschen vom Singen undt leuthen, begräbnüß gebühr. Sechß mött Korn (9Ztr.) hat der Schuelmeister von der Gemeindte Antzefahr. Ahn liegenden güethern: Bey den opfferdienst zue Antzefahr, welchen dero zeit Ein Schuelmeister beim Schueldienst hat, gehöret: Eine wießen von einem fuhr heuw uf der Ohm ahn Johannes Weigeln gelegen, die Opfferwießen genandt. Ein Krautgarten, der Opffergarten, zweischen Johannes Weigeln und Johanneß Kölber, stoßt uff den Gänße Waaßen undt oben uff den gemeinen Weeg ... Obgemelte beede stücke jährlich der Kirchen daselbsten Sieben albs. stendiger grundtzinße entrichtet werdten müeßen, welche grundtzinße aber (uff wohlbehalten deß Schuelmeisters) gemeiniglich von den Commissariis (in Amöneburg) dem Schuelmeistern jährlich nachgelaßen wordten, inmaaßen ein solches die biß dahero geführte KirchenRechnungen bescheinen. Eß hat auch ein Schuelmeister jedeß Jahrß zwey gäng Brodt, benahmblich einen uf Ostern, den andern auf Weyhnachten bey den Nachbarn zue Antzefahr – von Jeglichem ein leib brodt – zu erheben; qürdt richtig gegeben. Bei dießem Schueldienst hatt der Schuelmeister die Personal Freyheit. Drey stück Rindt Viehe undt vier Schwein in allem befreyhet".

Heinrich Döll, der in den Amtsrechnungen bisweilen auch als Heinrich Diel erscheint, stand dem Anzefahrer Schuldienst noch 1686 vor; er starb etwa 80 jährig am 3. Aug. 1690. Ihm folgte im gleichen Jahr dessen Sohn Siegfried Döll, der um 1662 geboren war und sich am 13. Nov. 1685 mit Margarethe Bonnfort aus Anzefahr verheiratete. Nach deren Tod am 1. Jan. 1695 heiratete er im selben Jahre Gertraud Kilber (Kölber). Er findet sich noch im Oktober des Jahres 1715 als Lehrer in Anzefahr; hier starb er am 28. März 1750. Wie lange er dem Schuldienst vorstand, ist nicht bekannt. Jedenfalls folgte ihm später sein am 2.4.1703 geborener Sohn Konrad (Curt) Döll, der schon am 4.12.1735 starb, worauf man am 22.12.1735 den aus Rüdigheim stammenden Johannes Wetzer anstellte.

 

 

Die alte Schule mit Stall

 

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