1914 – 1918

Über diesen Zeitraum lassen wir den Zeitzeugen Lehrer Heinrich Lotz zu Wort kommen. Er hat in der Anzefahrer Schulchronik die Geschehnisse aufgeschrieben. Wir lesen darin:

"Eine gute Zeit haben wir", so hörte man vielfach die Leute äußern und sie hatten recht. Der Arbeiter verdiente einen hohen Lohn, der Bauersmann konnte seine Erzeugnisse und Vieh zu annehmbaren Preisen absetzen. ... 1913 hatten die Maurer gestreikt und 1914 wurde ebenfalls wieder Streik gemacht. ... Verging doch kein Sonntag an dem nicht ein Fahnenweihefest, Kriegerfest oder Sängerfest stattfand. Im Jahre 1912 wurden im hiesigen Kreise 18 Feste gefeiert. ... So kann es nicht weiter gehen, hörte man umsichtige und ernste Männer sprechen. ... Da auf einmal am 27. Juni 1914 verbreitete der Telegraph die Schreckensnachricht "Erzherzog Ferdinand von Östreich sei nebst Gemahlin ermordet worden". ... am 31. Juli brachte der Telegraph das Telegramm von dem Kriegszustand und am 1. August abends 6 ¼ Uhr die Nachricht von der Mobilmachung. ... Sofort wurde die Mobilmachung im Dorfe durch die Schelle bekannt gemacht. ... Am 2. August wurde in hiesiger Kirche der Portiunkula Ablaß gefeiert. Die Kirche war mit Gläubigen angefüllt. ... Am 5. August wurde der Personenverkehr eingestellt und nun kamen alle Viertelstunden Militärzüge, schwer beladen mit Soldaten, Pferden, Geschützen und Munition. ... Damit der Feind keine Sabotage ausführte, wurden Bauten, Brückenanlagen bewacht. Jeder aus dem Dorfe übernahm freiwillig den Wachtdienst. ... Die Kriegsnachrichten wurden jeden Tag durch den Telegraph bekannt gegeben und am Schulhause ausgehängt. ... Bald meldete der Telegraph auch schon die ersten Siege. Sie wurden durch Glockengeläute, schulfreie Tage gewürdigt.

Damit die Brotfrucht bis zur nächsten Ernte reichte, durfte von jeder Person nur 250 g (1/2 Pfd.) Brot genossen werden. Die Getreide- und Kartoffelbestände wurden beschlagnahmt. Es wurden für die Selbstversorger Mehlscheine ausgegeben , auf denen das Gewicht des zu mahlenden Getreides angegeben war. ... Die Versorgungsberechtigten erhielten Brotkarten. Sie mußten sich anfangs das Mehl oder Brot in Kirchhain holen. 1917 wurde hier eine Mehlverteilungsstelle eingerichtet, die Gemeinde kaufte das Getreide auf, ließ es mahlen und verteilte es unter die Versorgungsberechtigten. Die Mehlverteilung geschah im Pfefferschen Saale. Damit alle Waren eine gleichmäßige Verteilung erfuhren, wurden nach und nach für Butter, Eier, Fleisch, Zucker, Petroleum Karten ausgegeben. Für den Kopf gab es pro Woche 90 g Butter, 750 g Zucker und 250 g Fleisch. Die Brotrationen betrugen anfangs 250 g dann 200 g und zuletzt 190 g. ... So entstand eine furchtbare Teuerung nicht blos für die Nahrungsmittel sondern auch für die Kleiderstoffe. ... Man griff darum zu den Holzschuhen und bei den Kleidern zu Papierstoffen. ... Im Jahre 1918 mußte auch die Sammlung von Laubheu vorgenommen werden. Von 10 – 1 Uhr war die Schule im Walde und die Kinder streiften das Laub von den Bäumen. ... Das meiste Laub wurde vom Grainersberg geholt. Das Laub wurde von den Kindern zu Hause lufttrocken gemacht, in Papiersäcke gestopft und nach Kirchhain in`s Kornhaus abgeliefert. Die hiesige Schule sammelte 30 Zentner. Das Laubheu diente den Pferden als Ersatz für Heu. Aus den Brennesseln wurden Bindfaden und Nähzwirn hergestellt. Mehlbeeren wurden als Kaffeersatz verwendet. ... Trotz unseres Durchhaltens in der Heimat brach draußen die Front zusammen. Die Feinde mußten um Eingehen eines Waffenstillstandes ersucht werden...

Tage lang sah man Militär durch unser Dorf ziehen. Sachsen und Württemberger waren bei uns einquartiert und wurden dann von Kirchhain per Bahn in ihre Heimat transportiert. Viele Pferde erlagen den Anstrengungen des Marsches. Tot blieben sie auf den Straßen liegen. Die hiesigen Krieger kehrten auch bald zurück. Sie feierten ein Wiedersehen durch ein Tanzvergnügen im Pfefferschen Saale. Einige Monate später trafen auch die Gefangenen ein. Für die Gefallenen wurde ein Trauergottesdienst abgehalten, auch soll in der Kirche eine Gedenktafel angebracht werden. Nach dem Kriege trat eine große Teuerung ein, die Preise der Lebensmittel, Kleiderstoffe, Löhne stiegen auf das fünffache und später noch höher 10 fache. Bei Ausbruch des Krieges dienten aktiv und zogen mit in`s Feld:

August Ebel, Boleslaus Kaczmarek, Johann Kaczmarek, Bernhard Lotz

Dem Rufe des Vaterlandes folgten in den Mobilmachungstagen als Reservisten und Landwehrleute:

Ludwig Emmerich, Peter Emmerich, Martin Emmerich, Joseph Schüssler, Lorenz Schüssler, Joseph Sprenger, Heinrich Bauerbach (Knecht dahier), Ludwig Vaupel (Knecht dahier), Joseph Feussner, Peter Lauer, Ludwig Lauer

Landsturmleute:

Bonifatius Kaufmann, Gregor Jennemann, Konrad Lauer, Heinrich Freidhof, Joseph Schold, Joseph Spill, Anton Lauer

 

hintere Reihe von links: Adam, Johann Joseph, Heinrich, Anton Bechthold

sitzend von links: Konstantin, Konrad Bechthold

(Hund: Nettchen)

 

Als Rekruten, Ersatzreservisten und zum Landsturm wurden eingezogen:

Heinrich Kremer, Konstantin Lauer, Heinrich Bromm, Karl Emmerich, Heinrich Damm, Otto Bromm, Ferdinand Hühn, Christian Bonacker, Leonhard Valker, Aloysius Lotz, Joseph Ebel, August Kißling, Ernst Centner, Konstantin Hühn, Peter Hühn, Heinrich Bechthold, Anton Bechthold, Konstantin Bechthold, Christoph Bodenbenner, Heinrich Lauer, Franz Lauer, Heinrich Lauer, Joseph Lauer, Pius Lauer, Ferdinand Lauer, Karl Rausch, Heinrich Rausch, Konrad Rausch, Friedrich Feußner, Karl Dauzenroth, Wendelin Weitzel, Peter Joseph Weitzel

Von den Teilnehmern haben den Heldentod erlitten:

Ludwig Emmerich, Aloysius Lotz, Joseph Ebel, Heinrich Bauerbach (aus Ginseldorf), August Kißling, Anton Bechthold

Soweit der Bericht von Herrn Lehrer Heinrich Lotz.

 

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